Abenteuer Großfamilie: „Einfach wunderbar“


Ein Foto auf dem Jahre 1993: Oma mit Dorli und ihren Geschwistern.

Passend zu unserem Schwerpunktthema 2018 widmen wir uns auch dem Thema „Formen der Familie“. Ob Einzelkind oder Sandwichkind, ob klassisches Modell oder Patchwork – Familien gibt es in vielen verschiedenen Formen. So individuell wie wir so sind es auch unsere Familien. Neben Experten und Gästen lassen wir auch unser Team zu diesem Thema zu Wort kommen. Beim Thema Großfamilie haben wir gleich an unsere Dorli gedacht:

„Ich bin mit fünf Geschwistern aufgewachsen. Meine Mama hatte bereits eine 9-jährige Tochter, als sie meinen Papa kennen gelernt hat. Mein Papa wollte immer schon mindestens vier Kinder, meine Mama hatte eigentlich gemeint: Zwei sind genug. Aber dann hat es den beiden so viel Freude bereitet, dass noch drei weitere Kinder hinzu gekommen sind. Innerhalb von zehn Jahren haben die beiden fünf Kindern bekommen. Zwischen uns Geschwistern sind immer zwei bis drei Jahre Abstand. Zwischen meiner Halbschwester und jüngeren Bruder liegen 20 Jahre. Unsere Eltern haben uns immer erzählt, dass jedes Kind, das in die Familie kommen wollte, für sie ein Wunschkind gewesen ist. Sie haben gesagt, so viele es werden, werden`s. Das haben wir auch immer genau so vermittelt bekommen.

Ich bin das vorletzte Kind, das jüngste Mädchen. Mein kleiner Bruder und ich hatten es bestimmt ein bisschen leichter, weil wir ja die Jüngsten waren. Für mich war es einfach toll, mit so vielen Geschwistern aufzuwachsen. Ich habe es geliebt, große Schwestern zu haben. Man hat immer ein Vorbild, kann sich Gewand ausborgen und Tipps holen. Ich habe mich immer gefreut, wenn einer meiner Schwester etwas zu klein geworden ist. Dann hab ich schon gewusst: Das kommt bald in meinen Kleiderschrank. Als Mädchen wünscht man sich ja immer ein weibliches Vorbild und ich hatte gleich mehrere. Auch in der Jugend waren wir Mädchen viel gemeinsam unterwegs. Mein Bruder war da als einziger Junge ein bisschen anders, der hat sich schon seine eigene Clique gesucht.

Wir hatten kein großes Haus, sondern ein gut aufgeteiltes Reihenhaus, aber es hat für uns immer gut gepasst. Unsere Zimmer haben wir uns geteilt und als meine große Schwester dann ausgezogen war, ist es sich sogar einmal ausgegangen, dass jeder ein Einzelzimmer hatte. Wir haben dann aber trotzdem beieinander geschlafen. Unser Auto war ein Bus mit sieben Plätzen, das ist sich genau ausgegangen für uns alle. Irgendwie ist es immer gegangen und wir hatten nie das Gefühl, auf irgendetwas verzichten zu müssen. Natürlich hat man halt finanziell nicht so viele Möglichkeiten. Den Führerschein hat sich bei uns zum Beispiel jeder selbst gezahlt. Zum Geburtstag hat es nicht die größten Geschenke gegeben, aber das finde ich auch nicht wichtig. Es hat uns an nichts gefehlt, wir haben auf Skikurse mitfahren können, wir haben Feriencamps gemacht.

Besonders lustig war es bei Familienurlauben. Wir waren nie alleine und hatten immer jemanden zum Spielen dabei. Langweilig wurde uns nie. Das ist sich vielleicht nicht jedes Jahr ausgegangen, aber es war immer total lustig für uns alle. Da hat es dann halt kein ****-Hotel gegeben, wir waren meist Campen oder auch mal in einer Ferienwohnung. Für uns Kinder war das aber immer das Größte! Unsere Eltern haben mit uns auch viele Ausflüge gemacht. Obwohl wir viele waren, haben wir auch etwas unternommen. Wir haben Wandertage gemeinsam verbracht, waren im Zoo und im Haus der Natur.

Bei uns hat es natürlich Regeln gegeben, meine Mama war schon streng, aber gut streng. Sie hatte ihre Prinzipien und es war ihr zum Beispiel wichtig, dass wir uns in der Schule alle anstrengen und alle eine gute Ausbildung absolvieren. Unsere Eltern waren sehr engagiert. Jeder, der wollte, durfte ein Instrument lernen, im Sportverein war auch jeder von uns.

Ab einem gewissen Alter, ich glaube, aber ungefähr 12 Jahren, haben wir alle einen Aufgabenbereich im Haushalt bekommen. Anders wäre es auch gar nicht gegangen und wir haben gelernt, dass wir alle zusammen helfen müssen, damit es gut klappt. Wir fünf wollten dann auch unbedingt einen Hund und haben versprochen, dass wir uns das Gassi gehen und Bürsten aufteilen. Schlussendlich ist das aber dann alles beim Papa hängen geblieben.

Wir haben uns natürlich auch immer wieder gestritten – Geschwister streiten einfach. Meist waren es nur Kleinigkeiten – irgendwer hatte sich was ausgeborgt und nicht zurück gelegt oder wir haben uns gestritten, weil irgendjemand das letzte Stück Schokolade gegessen hatte. Wir haben uns das meist untereinander ausgemacht. Vor allem, wenn es um andere gegangen ist, um Streitigkeiten in der Schule zum Beispiel. So haben wir früh gelernt, Verantwortung zu übernehmen und selbstständig zu sein.

Meine große Schwester war bestimmt am meisten eingeteilt, die Älteste eben, sie hat auch auf uns Jüngere aufgepasst. Unsere Eltern haben sich vieles aufgeteilt. Der Papa hat oft gekocht und die Mama im Haushalt unterstützt. Beim Lernen war die Mama mehr für die Sprachen zuständig, der Papa eher für Mathematik.

Wir hatten in unserer Familie auch fixe Rituale. Vor dem Essen haben wir immer gemeinsam gebetet, aber nicht wie so ein herkömmliches Tischgebet, wir haben uns stattdessen die Hände gereicht und gesungen. Geburtstage haben wir auch immer als Familie gefeiert und haben dazu auch Freude einladen dürfen. Da ist es immer rund gegangen und es war total lustig.

Leider hat die Großfamilie halt nicht immer das beste Image. Meine Mama ist auf der Straße sogar einmal als asozial beschimpft worden, als sie nur drei Kinder hatte. Dabei ist sie wieder arbeiten gegangen, als wir groß genug waren.

Mama sagt immer: Die Kinder haben mich jung gehalten. Unsere Eltern haben wahnsinnig viel für uns getan. Sie haben so viel Zeit und viel Geld investiert. Wir hatten aber immer das Gefühl, dass sie das aus tiefer Überzeugung für uns getan haben. Jetzt ist es einfach toll, es gibt schon vier Enkelkinder. Darüber freuen sie sich total. Die Enkelkinder sind für sie halt überhaupt keine Arbeit mehr, sondern nur noch Freude.

Heute sind wir alle erwachsen und sind totale Familienmenschen. Wir treffen uns zu jedem Geburtstag und feiern immer noch gemeinsam. Zu Weihnachten sind wir auch zusammen und wenn wir uns mal eine Zeit lang nicht gesehen haben, dann machen wir uns ein Treffen aus.

Meine Mutter ist bestimmt ein Vorbild für mich und ich habe sehr viel von ihr gelernt: In gewissen Dingen streng zu sein, die einem wichtig sind. Aber auch, Kindern Freiraum zu lassen und sie Dinge selbst ausprobieren zu lassen. Man muss einem Kind nicht jeden Handgriff vormachen. Nur wenn man sie auch mal selbst ausprobieren lässt, können sie die Welt selbst entdecken. Bei so vielen Kindern geht das auch gar nicht anders. Das habe ich bei meiner eigenen Tochter gemerkt. Natürlich muss man das immer dem Alter entsprechend sehen, aber sie macht vieles lieber von sich aus, ohne dass ich sie zu etwas dränge oder ihr alles vormache.

Ich kann nur für mich sprechen, aber ich finde es auch wichtig, dass man Kindern nicht alles erlaubt und sie auch nicht alles bekommen. Klar, manchmal hätte ich mir auch die neueste Barbie gewünscht, aber das hat es bei uns einfach nicht gegeben. Dadurch sind wir bestimmt bescheiden geworden und haben auch gelernt, mit weniger auszukommen. Später als Erwachsene hat mir das immer wieder geholfen und ich bin bis heute sehr dankbar dafür

Für mich war das Aufwachsen in der Großfamilie einfach wunderbar.“

 

 

 

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